Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen - Ich und MS

Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

Montag, 18.05.2020 Anträge, Multiple Sklerose

Im Zuge meines laufenden Antrages auf Feststellung des Grades der Behinderungen (Abk. GdB), nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (Abk. SGB IX) in 2019, habe ich mich weiter zum GdB bei der Diagnose Multiple Sklerose belesen und bin auf die "GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche" gestoßen. Da ich damit zunächst einmal nicht viel anfangen konnte, habe ich mich erneut um einen Termin mit der Sozialarbeiterin der Stadt bemüht, um mir dazu Klarheit zu verschaffen.

In der Zwischenzeit kam dann, wie schon in einem gesonderten Beitrag geschrieben, der Feststellungbescheid bzgl. meines Antrages auf Feststellung des Grades der Behinderungen mit der Feststellung eines GdB von 30.

GdB-abhängige Nachteilsausgleiche

Aus dem Gespräch mit der Sozialarbeiterin hatte ich nun einige neue Informationen mitnehmen können. Hier u.a. auch einige Punkte zu den schon angesprochenen GdB-abhängigen Nachteilsausgleichen.

Auch mit meinem festgestellten GdB von 30, so wurde mir mitgeteilt, gäbe es gewisse Nachteilsausgleiche. Die bei einem GdB von 30 bzw. auch 40 relevanten sind:

  • Gleichstellung (§ 2 Absatz 3 SGB IX)
  • Kündigungsschutz bei Gleichstellung (§ 151 Absatz 3 SGB IX)
  • Steuerfreibetrag (§ 33b EstG)

Damit war mir klar, das bestätigte auch die Sozialarbeiterin, nach der Feststellung meines GdB von 30 sollte relativ zeitnah der Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen folgen. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich für mich auch immer die Frage was passieren würde, sollte ich nicht mehr vollumfänglich arbeitsfähig sein, gerade auch in meinem neuen Job den ich zu Beginn des Jahres angetreten hatte.

So entschied ich mich, den Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bei der Agentur für Arbeit direkt nach der Feststellung des GdB von 30 zu stellen.

"Antragsbekundung" bei der Agentur für Arbeit - ganz formlos

Der schnellste Weg zum Antrag war hier die telefonische Kontaktaufnahme, denn wie schon bei meinem Antrag auf Feststellung des GdB zählte auch hier das Datum der "Antragsbekundung". So habe ich mit einem freundlichen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ganz kurz die wichtigen Punkte und Grundlagen, u.a. ein GdB von 30 bzw. 40, für den Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen durchgesprochen. Die weiteren von mir auszufüllenden Unterlagen des Antrages sollten mir in den folgenden Tagen postalisch zugesandt werden.

Nur wenige Tage später hatte ich dann die Unterlagen für den vollständigen Antrag im Postkasten. Durch meine telefonische "Antragsbekundung" wurden einige Daten von Amtswegen bereits vorausgefüllt, andere hatte ich nun beizutragen, unter der Maßgabe den Antrag binnen 4 Wochen ausgefüllt wieder bei der Agentur für Arbeit einzureichen.

Begründung des Antrages

Einer der wohl wichtigsten Punkte bei diesem Antrag, aber auch bei vielen anderen Anträgen, ist die Begründung an sich. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, hält man gerade bei seinen eigenen Defiziten gerne hinter dem Berg. Manches möchte man sich selbst vielleicht gar nicht eingestehen.

Für mich persönlich hatte sich dies mit meiner Diagnose Multiple Sklerose doch sehr geändert. Ich kann darüber reden und kann offen sagen, wenn es mir gut geht oder eben eher nicht. So auch bei diesem Antrag. Man hat die Möglichkeit direkt im Antrag auf drei Zeilen seine Begründung zu formulieren. Diese drei Zeilen nutzte ich für den Hinweis "siehe Anlage" und formulierte eben jene Begründung auf einem dem Antrag beiliegenden Dokument etwas ausführlicher aus.

Wichtig, und das hatte ich schon aus Recherchen und Gesprächen gelernt, die Begründung kann u.a. nicht auf dem angesprochenen Kündigungsschutz oder auf Gründen beruhen, die sich nicht auf die beantragende Person selbst beziehen. Hier geht es um die Defizite im Hinblick auf die tägliche Arbeit am Arbeitsplatz, um die Einschränkungen bei der Arbeit aufgrund der Behinderung, auf die ggf. mit der Behinderung einhergehende Minderung der Arbeitsqualität und der Arbeitsleistung im Gegensatz zu einem nicht-behinderten Menschen. Welche Einschränkungen bringt die Behinderung für einen selbst mit sich, was hat sich diesbezüglich mit der Behinderung geändert oder auch womit genau hat man persönlich bei der aktuellen Arbeitssituation seine Schwierigkeiten.

Bei mir lagen folgende Einschränkungen, Defizite und Veränderungen aufgrund der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung vor:

  • Fehlzeiten
  • erhöhtes Fehleraufkommen bei der Software-Entwicklung durch motorische Störungen
  • häufiger auftretende notwendig gewordene Ruhephasen durch schnellere Erschöpfung
  • Konzentrationsschwierigkeiten durch zunehmendes Auftreten von Schmerzen
  • Bewegungseinschränkungen (u.a. Treppensteigen, Tragen/Heben/Halten von Gegenständen)

Wie gesagt sollte hier jeder Betroffene in sich gehen und die veränderte Situation aufgrund der Behinderung durch die Multiple Sklerose bei sich selbst bewerten.

Rund zwei Monate nach dem Versand meines ausgefüllten Antrages dann rückwirkend zum Datum meiner formlosen, telefonischen "Antragsbekundung" die Bewilligung der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Absatz 3 SGB IX.

Recherche-Informationen und Quellen-Angaben zu meinem Antrag auf Gleichstellung

Hier noch einmal einige wichtige Informationen aus meinen Recherchen und auch dem Gespräch mit der Sozialarbeiterin zum Zeitpunkt der Antragstellung in 2019:

  • die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen ist bei der Agentur für Arbeit zu beantragen
  • die Gleichstellung ist nur möglich, wenn man mehr als 18 Stunden pro Woche arbeitet
  • für die Begründung immer mehrere Gründe angeben
    • die Gründe nennen, die auf einen persönlich zutreffen
    • u.a. Einschränkungen, Defizite, Veränderungen, o.Ä. aufgrund der Behinderung anfügen, wodurch der eigene Arbeitsplatz gefährdet sein kann
  • vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 6.8.2014, B 11 AL 16/13 R

Zu den genutzten Quellen gehören u.a.:

  • Suchmaschinen mit Begriffen: "Gleichstellungsantrag", "Begründung Gleichstellungsantrag" u.a.
  • Gespräch mit der Sozialarbeiterin der Stadt
  • beta Institut gemeinnützige GmbH: Nachteilsausgleiche bei Behinderung (zuletzt besucht am 17.05.2020)
  • Website der Agentur für Arbeit: Gleichstellungsantrag anfordern (zuletzt besucht am 17.05.2020)

Gespräche mit anderen Betroffenen bzgl. Gleichstellung

In den Gesprächen der vergangenen Monate habe ich immer wieder festgestellt, dass ein Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen für viele von der Diagnose Multiple Sklerose Betroffene noch gar kein Thema war, für Einige war es sogar ganz neu davon zu hören.

Für mich persönlich war es von Anfang an wichtig Nichts unversucht zu lassen, mir meine Diagnose MS einzugestehen und so weit es mir möglich und auch notwendig erscheint, für mich und meine Diagnose Multiple Sklerose zu "kämpfen". Das werde ich auch weiterhin tun und ich werde auch weiterhin meine Erfahrungen diesbezüglich hier teilen.

Das Alles nimmt einem Betroffenen niemand ab, so jedenfalls meine bisherige Erfahrung!