Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)

Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) in 2019

Mittwoch, 29.04.2020 Anträge, Multiple Sklerose

Anfang 2019 habe ich meinen Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (Abk. GdB) gestellt. Meine Recherchen und ein Telefonat mit der Sozialarbeiterin der Stadt hat mich darauf gebracht, diesen Antrag doch relativ zeitnah nach meiner Diagnose Multiple Sklerose zu stellen.

Antrag beim Versorgungsamt

So habe ich dann also den Antrag auf Feststellung des GdB ausgefüllt und beim örtlichen Versorgungsamt eingereicht. Der Antrag als solches ist meiner Meinung nach relativ einfach auszufüllen. Aber vor Allem der Punkt "Angaben zu ärztlichen Behandlungen" ist aus meiner Sicht enorm wichtig, wird doch über das zuständige Amt hier bei den behandelnden Ärzten der Stand bzgl. der jeweiligen MS und damit auch zu den Einschränkungen abgefragt.

Da ich den Stand von Arztbriefen zu Krankenhausaufenthalten bei meiner behandelnden Hausärztin nicht kannte, habe ich in dem Punkt "Unterlagen befinden sich beim Hausarzt" mit "nein" beantwortet. Da meine Hausärztin nicht die ins Krankenhaus überweisende Ärztin war, war ich mir in diesem Punkt halt einfach nicht sicher.

Nur wenige Tage nachdem ich meinen Antrag per Post versendet hatte, kam auch schon eine Eingangsbestätigung mit einem Aktenzeichen zum Antrag nach SGB IX sowie eine Information über die für meinen Antrag zuständige, namentlich benannte Bearbeiterin.

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Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beträgt derzeit 5 Monate. Sie hängt einerseits davon ab, ob Ihre Angaben im Antrag vollständig sind und anderseits, ob angeforderte Unterlagen zeitgerecht eingehen. Da jährlich insgesamt über 30000 Anträge zu bearbeiten sind, bitte ich Sie nur aus dringenden Gründen den Sachstand zu erfragen.
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Warten, Warten, Warten

Eine lange Zeit verstrich und es passierte Nichts. Na gut, ich hatte ja die Angabe bezüglich der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer erhalten und wartete natürlich. Nach diesem Zeitpunkt fragte ich beim Versorgungsamt unter Angabe des vergebenen Aktenzeichens an und erhielt den Hinweis, das Unterlagen/Beurteilungen beim Neurologen angefordert wurden. Da dies schon eine Weile her war, wurde zudem auch bei meiner zuständigen Hausärztin der Stand bzw. eine Beurteilung angefordert.

Nach Rücksprache mit meinem Neurologen waren die Unterlagen seinerseits dann doch bereits auf dem Weg zum Amt, womit ich mich in weiteres Warten hüllte.

Feststellungsbescheid

Endlich, im Juli 2019, nach 7 Monaten war es nun soweit und der lang erwartete Feststellungsbescheid wurde mir zugestellt.

Entscheidung:
Ab 23.01.2019 beträgt der Grad der Behinderung (GdB) 30.


Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises wird abgelehnt, weil der GdB unter 50 liegt.

Es besteht eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit.

Innerhalb einer Frist von einen Monat hatte ich nun die Möglichkeit, sofern gewollt, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen.

Widerspruch und Ablehnung

Nach Rücksprache mit Sozialberaterin und Anwalt legte ich noch innerhalb der Frist von einem Monat mit Begründung Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid bzgl. des GdB ein. Ich war auch zu einer amtsärztlichen Untersuchung bereit, sofern dies notwendig sein sollte.

Innerhalb weniger Tage erneut die Eingangsbestätigung zu meinem Widerspruch, das Amt bearbeitet hier doch sehr schnell wie ich finde. 6 Wochen später dann die Ablehnung meines Widerspruches.

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Eine amtsärztliche bzw. versorgungsärztliche Untersuchung findet im Rahmen der Feststellung von Behinderungen nach dem SGB IX grundsätzlich nicht statt.
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Eine höhere Bewertung ist auch nach nochmaliger Prüfung der ärztlichen Unterlagen im Widerspruchsverfahren nicht zu begründen.

Die bei Ihnen diagnostizierte Enzephylomyelitis disseminata ist unter Berücksichtigung aller vorliegenden Funktionseinschränkungen, insbesondere der Gefühlsstörungen sowie der Ungeschicklichkeit der linken Körperhälfte, mit einem GdB um 30 korrekt bewertet. Es wurde ein EDSS-Wert von 2,5 mitgeteilt.

Die bei Ihnen bestehende Behinderung
- organisches Nervenleiden
ist nach der VersMedV mit einem GdB um 30 zutreffend bewertet.
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Ein höherer GdB ist unter Berücksichtigung des Ausmaßes der alltagsrelevanten Funktionsstörungen nicht zu begründen.
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Bei einer Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes haben Sie jederzeit die Möglichkeit einen Antrag auf Neufeststellung zu stellen.
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Ok, sacken lassen. Informationen aus der Ablehnung sondieren, sortieren und schlau machen. Immer im Hinterkopf das auch hier wieder über die Rechtsbehelfsbelehrung eine Frist von einem Monat Zeit gegeben ist, in diesem Fall wäre der nächste Schritt jedoch die Klage vor dem zuständigen Sozialgericht.

Aber der Reihe nach! Was nun in die Beurteilung einfloss und wie sich der GdB für eine MS bestimmen lässt, wird meiner Meinung nach mit der Versorgungsmedizin-Verordnung geregelt.

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV

Der Zweck der VersMedV ist der Folgende:

Diese Verordnung regelt die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigung im Sinne des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes, für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzts und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung.

Blättert man nun durch die VersMedV oder recherchiert im Internet im VersMedV, so kommt man zum Teil B, der GdS-Tabelle, und hier zum Punkt B 3.10.

VersMedV - B 3.10 Multiple Sklerose

Der GdS richtet sich vor allem nach den zerebralen und spinalen Ausfallerscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen.

Wenn man sich den Punkt in der VersMedV genauer anschaut, fällt auf das hier anders als bei in der GdS-Tabelle aufgelisteten Störungen, die genaue Vorgabe bzw. eine Spanne eines GdB/GdS bezüglich B 3.10 Multiple Sklerose nicht genannt wird.

VersMedV - B 3.9 Rückenmarkschäden

Zudem, und das hat mich beim Lesen in der VersMedV sowie bei der Recherche im Internet etwas nachdenklich gemacht, wurde bei der Bewertung eine Sache aus meiner Sicht nicht mit betrachtet bzw. nicht mit zur Beurteilung herangezogen. In VersMedV - B 3.9 Rückenmarkschäden heißt es u.a.:

Unvollständige, leichte Halsmarkschädigung mit beidseits
geringen motorischen und sensiblen Ausfällen, ohne
Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion ............. 30 - 60

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Nach Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 6/13 - Urteil vom 26.03.2015, welches sich mit einem Verfahren bezüglich Feststellung des GdB bei einer Diagnose Multiple Sklerose eines anderen Betroffenen beschäftigte, ist zu lesen:

... Wenn sich die Krankheit im Bereich des Rückenmarkes lokalisiert, können die Vorgaben für die Bewertung von Rückenmarkschäden analog herangezogen werden.

Nun, das hätte man machen können und ich würde mir in mancher Hinsicht doch die ein klein wenig genauere Begutachtung des Einzelfalls eines Betroffenen mit der Diagnose Multiple Sklerose wünschen. Vielleicht hat dem Amt hier einfach noch das eine oder andere Dokument seitens der beteiligten Ärzte zur Gesamtbeurteilung meiner Diagnose MS gefehlt, ich weiß  es nicht. Auf jeden Fall habe ich meine Läsionen, mit denen ja alles in 2018 anfing, im Rückenmark und damit wäre wohl dieser Punkt sicher auch zu beurteilen gewesen, oder?

Und was ist mit der Sozialklage?

Schwierig zu sagen, lange habe ich mich mit dem Gedanken einer Sozialklage getragen. Aber zum Einen bedeutet es mit Sicherheit Stress und wir Betroffenen wissen was das für uns und unsere MS bedeutet. Zum Anderen habe ich einige Gespräche und Telefonate geführt und musste feststellen, das allgemein bei Sozialklagen von einer Bearbeitungsdauer von 1-3 Jahren gesprochen wird.

Ich glaube, und das hat ja auch die Ablehnung des Widerspruches bereits angedeutet, ist man hier bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit einem Antrag auf Neufeststellung von Behinderungen ggf. besser bedient. Es hatte sich ja bei diesem Antrag auch gezeigt, dass das Amt mit seinem Teil der Bearbeitung doch schnell ist und sich die Bearbeitung scheinbar nur aufgrund der Zuarbeiten so verzögert hat.

Aufgrund der vielen Anträge, jährlich insgesamt über 30000 wie man mir schriftlich mitteilte, kann man nur sagen: Danke für die schnelle Bearbeitung!